Brennpunkt Welt – Überzeugende Preisträger*innen
FIFF 2022 - von Hans Hodel

Brennpunkt Welt – Überzeugende Preisträger*innen

Mit den diesjährigen Preisen hat das 36. FIFF, wie mit seiner gesamten Programmierung, während zehn Tagen vom 18. - 27. März 2022 einmal mehr die Vielfalt der Kulturen, die Verteidigung von Minderheiten, das Engagement für Gerechtigkeit und die Freude an der Begegnung gefeiert, nach der zweijährigen Pandemie bedingten Pause zur besonderen Freude des Publikums. Noch selten war das Festival so nahe am Puls der Aktualität. Dabei waren nur zwei der zwölf langen Wettbewerbsfilme Weltpremieren, die übrigen zehn Filme aber allesamt Schweizer Premieren.  Dass diese an internationalen Festivals bereits zu sehen waren und zum Teil mit Preisen bedacht worden sind, darf als Zeichen für die qualitätsvolle Selektion des Festivals gelten. Darunter sind, abgesehen vom INTERFILM-Preis an den Nordischen Filmtagen Lübeck 2021 für  «The Gravedigger's Wife»  von Khadar Ayderus Ahmed (Finnland/Frankreich/Deutschland 2021), drei Filme zu nennen, die nun auch in Fribourg ausgezeichnet wurden. «Amira» von Mohamed Diab (Ägypten/Jordanien/Vereinigte Arabische Emirate/Saudi-Arabien 2021), ein zum Teil umstrittener Film über die harte Realität in israelischen Gefängnissen und die illegale In-vitro-Fertilisation, die es palästinensischen Häftlingen erlaubt, Kinder zu zeugen, letztes Jahr in Venedig mit dem Preis für den interreligiösen Dialog der INTERFILM-Jury ausgezeichnet, erhielt jetzt den Hauptpreis der Jugendjury Comundo. «Brighton 4th» von Levan Koguashvili (Georgien/Russland(Bulgarien/USA 2021), am Festival des Osteuropäischen Films Cottbus mit dem Preis der Ökumenischen Jury gewürdigt, erhielt den Sonderpreis der Internationalen Langfilm-Jury. Gespannt war man auf die Würdigung des ukrainischen Films «Klondike» von Maryna Er Gorbach (Ukraine/Türkei 2022), der in der Sektion Panorama der diesjährigen Berlinale bereits mit dem Preis der Ökumenischen Jury ausgezeichnet  worden ist, und aus aktuellem Anlass schon im Vorfeld des Festivals Beachtung fand.

Das FIFF solidarisiert sich mit der Ukraine
«Ein Film mit einer Vision und einer Aussage von ausserordentlicher Tragweite», urteilt die Kritiker*innen-Jury, während die Internationale Langfilm-Jury (bestehend aus der albanisch-schweizerischen Sängerin Elina Duni, der afghanischen Regisseurin Sahra Mani, dem angolanischen Produzenten Jorge Cohen und dem künstlerischen Direktor des Locarno Film Festival Giona A. Nazzaro), überzeugt ist, eine Regisseurin entdeckt zu haben, «die in den kommenden Jahren eine grosse Rolle im internationalen Kino spielen wird»: Das erschütternde Werk der Ukrainerin Maryna Er Gorbach, hat den Grand Prix der Internationalen Langfilm-Jury, den Critics’ Choice Award sowie eine besondere Erwähnung der Jugendjury Comundo gewonnen. Dies ist nicht nur ein Spiegelbild der Aktualität, sondern auch die Krönung einer Ausgabe voller Emotionen um den (post)apokalyptischen Film, das afghanische, angolanische, albanische und kosovarische Kino und nicht zuletzt um die kontroverse Frage der Context culture. Dazu gehört auch, dass  der Publikumspreis mit Broken Keys des Libanesen Jimmy Keyrouz an einen nicht minder erschütternden Film ging, in dem ein Pianist seine Musik dem Islamischen Staat entgegensetzt. Dank dieses kühnen Programms und der verstärkten Präsenz in der Stadt Freiburg erreichte das FIFF über 43'000 Kinobegeisterte – so viele wie vor der Pandemie. 

Preis der Ökumenischen Jury 
In diesem Kontext ist der auch der überzeugende Preis für den bewegenden Film La Civil von Téodora Ana Mihai (Belgien/Rumänien/Mexiko, 2021) zu sehen, der letztes Jahr in der Sektion «Un certain regard» in Cannes seine Premiere hatte. Der Film erzählt die Geschichte von Cielo – herausragend gespielt von Arcelio Ramírez – einer Mutter, die nach der Entführung ihrer Tochter in die furchtbare Gewalt der mexikanischen Kartelle gerät. «Wir sind beeindruckt vom Mut dieser Frau und ihrer phänomenalen Energie und Entschlossenheit», begründet die Jury ihren Entscheid. Rund um dieses dramatische Ereignis entwickelt sie eine starke innere Kraft, um auf der Suche nach der Wahrheit bis zum Ende durchzuhalten. Der Film ist ein bedeutendes universelles Plädoyer für all jene Mütter, die ihre Hoffnung auf unerbittliche Art und Weise nicht verlieren, und sich im Kampf um Gerechtigkeit engagieren. 

Die Mitglieder der Jury: 
Guy Rainotte  (Belgien), Diana Falque (Frankreich), Bernadette Meier, Präsidentin (Schweiz), Renata Werlen (Schweiz)