03/03/2022

COMPARTMENT NO. 6

«Irgendwann werden kleine Teile von uns kleine Teile von anderen berühren» – dieses Bonmot Marilyn Monroes schnappt die finnische Sprachstudentin Laura an einer Party in Moskau auf. Davon ist zunächst wenig zu spüren, als sie kurz darauf in der Enge eines Zugabteils auf den ungehobelten und übergriffigen Minenarbeiter Ljoha trifft. Von ihrer Freundin im Stich gelassen, reist sie alleine nach Murmansk, um dort antike Felsenmalereien zu besichtigen.

Je länger der Zug durch die russische Winterlandschaft fährt, umso mehr verändern sich die Bilder, die die Menschen sich voneinander machen; Erwartungen verkehren sich ins Gegenteil – bei Laura und Ljoha wie beim Publikum. Entscheidend am Schluss ist nicht, ob die Petroglyphen gefunden werden, sondern dass zwei Menschen dadurch voneinander berührt werden; dass sie sich den Sehnsüchten und Verletzlichkeiten des andern öffnen und das Gegenüber als verlässlich erfahren.

Der Regisseur des Films, der Finne Juho Kuosmanen, drückt es so aus: «Der einzige Weg, um frei zu sein, ist die Absurdität des Lebens zu akzeptieren. Freiheit ist nichts, das man erreichen kann, frei zu sein, heisst loszulassen.»

Kein Wohlfühlfilm, aber eine in eindrücklichen düsteren Farben komponierte Findungsgeschichte über soziale, kulturelle und sprachliche Gräben hinweg.

Hermann Kocher, Vizepräsident Interfilm Schweiz

«Compartment N°6» («Abteil Nr. 6»/«Hytti nro 6»), Finnland/Russland 2021; 107 Min.; Regie: Juho Kuosmanen; DarstellerInnen: Juriy Borisov, Seidi Haarla, Yuliya Aug; Verleih: http://www.xenixfilm.ch; Filmseite: http://www.xenixfilm.ch/de/film_info.php?ID=12020

Bildnachweis: https://www.medientipp.ch