05/01/2023

ERICA JONG. BREAKING THE WALL

«Was wäre Shakespeare ohne Sex?» Diese rhetorische Frage stellt die Schriftstellerin Erica Jong, als sie darüber sinniert, weshalb die weibliche Sexualität auch heute noch nicht gänzlich enttabuisiert ist. Sie, die 1973 in ihrem Roman Fear of Flying (Angst vorm Fliegen) offen über die Lust der Frauen geschrieben und einen weltweiten Bestseller gelandet hatte, wurde dafür öffentlich gedemütigt. Einspieler aus Talkshows aus dieser Zeit verdeutlichen dies: männliche Moderatoren diskreditierten die junge und unbequeme Schriftstellerin als «Dummchen». Junge Frauen sollten nicht über Sexualität schreiben, im Gegensatz zu älteren Herren…

Dabei wollte und will Jong nur, dass Frauen in allen Lebensbereichen die gleichen Möglichkeiten offenstehen. Schon in den 80ern betonte die Poetin, dass Gleichberechtigung nicht heisse, den Frauen den Eintritt in die Arbeitswelt zu ermöglichen. Die Doppelbelastung mit Arbeit und Familie sei für Frauen entschieden grösser als für Männer. Entnervt wendet sich Jong einmal in die Kamera und erklärt: «Thomas Mann musste sich sicher nicht um die Reparatur der Waschmaschine kümmern!»

Der Dokumentarfilm des Schweizers Kaspar Kasics fokussiert vollkommen auf diese schillernde Selbstdarstellerin mit all ihren Facetten. Wir sehen die mittlerweile 80-jährige Jong als Schriftstellerin, feministisches Vorbild, Diva, Ehefrau, Mutter und Grossmutter. Das schafft Nähe und zeigt auch die verletzliche, leise Seite dieser starken und lauten Frau. Ein inspirierendes Portrait!

Natalie Fritz, Religionswissenschaftlerin und Redaktorin Medientipp

Ab 5. Januar 2023 im Kino