25/03/2022

L'ÉVÉNEMENT (DAS EREIGNIS)

Noch immer nichts! Diese drei Worte schreibt die 23-jährige Anne in ihr Tagebuch. Sie bedeuten, dass ihre Periode seit drei Wochen überfällig ist und damit werden ihre schlimmsten Befürchtungen wahr.

«L’événement» basiert auf dem gleichnamigen autobiografischen Roman von Annie Ernaux. Die Regisseurin Audrey Diwan erzählt in eindringlichen Aufnahmen das Schicksal von Anne, die 1964 in Frankreich ungewollt schwanger wird. Die junge Literaturwissenschaftsstudentin realisiert, dass ihre Zukunft ruiniert ist. Entweder bekommt sie ihr Kind und wird von der Gesellschaft als alleinerziehende Mutter geächtet, oder sie treibt es ab und kommt ins Gefängnis. Doch viel Zeit bleibt Anne nicht mehr, um eine Entscheidung zu treffen.

Dem Film gelingt es, den psychischen und physischen Schmerz der jungen Anne einzufangen, ohne dabei die Handlungsweise ihrer Mitmenschen zu verurteilen. Was Anne widerfährt, steht exemplarisch für eine ganze Generation von Frauen, die sich einem illegalen Schwangerschaftsabbruch stellen mussten und so ihr Leben aufs Spiel setzten. Denn bis 1975 war Abtreibung in Frankreich strafbar.

Der Film fordert sein Publikum. Die Kamera schaut genau hin und bewegt sich im Takt der Hauptfigur. So wird man selbst Zeuge davon, wie Anne in ihrer Verzweiflung allein gelassen wird. Es ist erstaunlich, dass das Wort Abtreibung kein einziges Mal vorkommt und trotzdem alles gesagt ist. Ein Meisterwerk, das wortwörtlich unter die Haut geht.

Silvan Maximilian Hohl, Filmemacher und Multimediaproduzent

«L’événement», FR 2021; Regie: Audrey Diwan; Darsteller*Innen: Anamaria Vartolomei, Kacey Mottet Klein, Luàna Bajrami; Verleih: Frenetic Films,

Filmwebsite: https://www.frenetic.ch/katalog/detail//++/id/1209

Ab 24. März im Kino

Bldnachweis: https://www.medientipp.ch/wp-content/uploads/2022/03/01-evenement.jpg